Geschichte der Schule
Als der Gemeinderat der Stadt Stuttgart Ende der 60er Jahre die Errichtung eines Wohngebietes auf der Gemarkung Neugereut beschloss, war im gesamten Bundesgebiet die Bildungspolitik, vom Kinderladen bis zur Hochschulreform, eines der meistdiskutierten öffentlichen Themen.
Was lag also näher, als dem neuen Stadtbezirk Neugereut eine Schule zu geben, deren pädagogische Grundlagen und deren Struktur auf der Höhe der Zeit liegen und für die weitere Bildungsplanung der Stadt Stuttgart zukunftsweisend sein sollten.
So schrieb der damalige Oberbürgermeister der Stadt Stuttgart, Dr. Klett, an den seinerzeit amtierenden Kultusminister Dr. Hahn in bezug auf Stuttgart-Neugereut: “Die Landeshauptstadt Stuttgart ist gewillt, die dort vorhandenen günstigen Planungsvoraussetzungen zu nutzen und über ein Gesamtschulmodell einen Beitrag für die Schulentwicklung im Lande Baden-Württemberg und in der Bundesrepublik zu leisten.” Ein hoher Anspruch, der von vielen Institutionen und Ämtern, Eltern, Lehrern und Schülern mit Begeisterung und erheblichem Engagement getragen wurde.
Zum Schuljahresbeginn 1975 war es soweit! Ein neuer Schulgedanke, lange geplant, wurde Wirklichkeit. Am 28. August 1977 fand die festliche Übergabe an die Schulgemeinde statt.
Pädagogisch hat sich das System der integrierten Gesamtschule in Neugereut vollauf bewährt. Recht bald wurde jedoch erkennbar, dass diese Schulkonzeption in Baden-Württemberg nicht die notwendige Unterstützung der Politiker erfuhr und – wie das Ministerium für Kultus und Sport ankündigte – keine gleichberechtigte Schulart neben den anderen sein werde.
Aus diesen Gründen wurde im Frühsommer 1982 ein für die ganze Schulgemeinde sehr schmerzlicher Prozess des Überdenkens unserer Möglichkeiten eingeleitet: Weil uns jedoch die tägliche pädagogische Arbeit wichtiger war als die Durchsetzung nicht durchsetzbarer bildungspolitischer Vorstellungen, entschloss sich das Kollegium unserer Schule, den Versuch “Integrierte Gesamtschule” nicht weiterzuführen und stattdessen eine Verbundschule mit allen drei Schularten zuwerden.
Ein neuer Name: Jörg-Ratgeb-Schule Stuttgart-Neugereut
Im Jahre 1988 wurde seitens des Ministeriums für Kultus und Sport der Schulversuch offiziell beendet. Wenn auch bei uns de facto die Änderung bereits 1982 erfolgt war, so wurde es nun auch notwendig, der Schule einen neuen Namen zu geben. Die Schulgremien sowie der Gemeinderat der Stadt Stuttgart entschieden sich einstimmig für Jörg Ratgeb (1480-1526) als Namenspatron. Im Herbst 1988 wurde die GSN (Gesamtschule Stuttgart-Neugereut) zur JRSN (Jörg-Ratgeb-Schule Neugereut).
Jörg Ratgeb ist in Schwäbisch Gmünd geboren und wirkte als Maler in unserem sowie im Frankfurter Raum. Sein “Herrenberger Altar” ist eines der herausragenden Werke der Stuttgarter Staatsgalerie. Jörg Ratgeb war auf Seiten der Stuttgarter Bürger in den Bauernkriegen beteiligt und wurde deshalb 1526 in Pforzheim hingerichtet. Seine engagierte und moderne Malerei an der Schwelle zwischen Mittelalter und Renaissance sowie sein soziales Engagement machen ihn für unsere Schulgemeinde zu einem Namensgeber, der heute noch beispielgebend ist.
Die Jörg-Ratgeb-Schule heute
Da die Anmeldezahlen für die Werkrealschule im Laufe der Jahre immer weiter zurückgingen, wurde im Jahre 2013 beschlossen, diese aufzugeben. Gleichzeitig wurde die Möglichkeit, eine Gemeinschaftsschul-Abteilung anzugliedern verworfen. Inzwischen arbeiten wir also auf der Grundlage der Schularten „Gymnasium“ und „Realschule“.
Und dennoch: Einige wesentliche pädagogische Ansätze haben wir aus den positiven Erfahrungen der Gesamtschule in unsere jetzige Form des Schulverbunds übernommen – Formen, die zum Teil erheblich über das Angebot der einzelnen Schularten hinausgehen. Dies wird beispielsweise im schulartübergreifenden AG-Angebot deutlich.
Der engere Einzugsbereich der Schule umfasst die Stadtteile Hofen, Neugereut und Steinhaldenfeld – darüber hinaus kommen Schülerinnen und Schüler aus Bad Cannstatt, Münster, Mühlhausen und anderen Stadtbezirken, für die das spezielle Angebot unserer Schule von Interesse ist.
Betrachten wir anhand einiger Stationen, wie sich für Schülerinnen und Schüler ihre Schullaufbahn gestaltet.
Die Einteilung der Schülerinnen und Schüler beim Übergang von Klasse 4 nach Klasse 5 erfolgt in Gymnasial-, und Realschulklassen. Alle Schülerinnen und Schüler haben die gleiche Stundentafel wie alle Regelschulen in Baden-Württemberg, der Unterricht erfolgt auf der Grundlage der allgemeinen Bildungspläne der jeweiligen Schulart.
Bereits bei der Aufnahme werden den Schülerinnen und Schülern jedoch Unterschiede zu anderen Schulen deutlich: Die Aufnahmefeier wird für die gesamte Schule gemeinsam gestaltet, und die Klassenzimmer liegen auch beieinander. So wird die Aufteilung nach der Grundschule leichter verkraftet.
Durchlässigkeit als wesentliches Ziel
Wesentliches Ziel der Schule ist es nach wie vor, den Kindern einen Schulartenwechsel zu ermöglichen, wenn sich zeigt, dass sie besser oder weniger gut lernen, als dies die Grundschule einschätzte. Ein solcher Schulartenwechsel, der innerhalb der Jörg-Ratgeb-Schule im Zweifelsfall in die Klasse im Nachbarraum geschieht, wird dadurch erleichtert, dass die Lehrer sich als ein Kollegium verstehen, und nicht zuletzt dadurch, dass eine gemeinsame Schulleitung für die gesamte Schule zuständig ist.
Auch im baulichen Bereich bewährt sich diese “Durchlässigkeit”: Die Schülerinnen und Schüler können von der jeweiligen Ausstattung der anderen Schularten Nutzen ziehen: So profitieren die Realschüler und Hauptschüler von der guten Ausstattung in den Fachbereichen wie z.B. Naturwissenschaften, Informatik, Bildende Kunst oder Sprachen; umgekehrt können die Gymnasialschüler Einrichtungen wie Technik- und Textilbereich sowie Lehrküchen nutzen.